Biografien zu den Stolpersteinen

Im Rahmen des "Stolpersteine"-Projektes wurde zum Abschluss der Recherchen für jede betreffende Person eine Biografie, ein sog. "Memento Mori", erstellt. Darin sind die Ergebnisse der Nachforschungen und die Lebensläufe schriftlich zusammengefasst.

Nachfolgend sind die Biografien der Gymnicher Juden aufgeführt, die einen Stolperstein erhalten haben.

 

Schützenstr. 14/14a

Familie Zieger

Jakob Zieger wurde am 21. Juni 1876 in Köln geboren, seine Ehefrau Emma Zieger geb. Kaufmann am 11. Juni 1881 in Bad Honnef.

Angeblich sollen Emma und Jakob einen Sohn gehabt haben, der 1927 geboren wurde. Über ihn ist leider nichts bekannt.

Jakob Zieger und Emma heirateten am 22. Juli 1910 in Bad Honnef und zogen anschließend nach Gymnich. 1910 wurde Jakob in den sog. Greven-Adressbüchern, eine Art Firmenverzeichnis zu dieser Zeit, als Händler und von 1924 bis 1936 als Buchdrucker geführt.
Aus dem Vorhandensein eines Telefonanschlusses im Jahr 1929 lässt sich schließen, dass der Betrieb in der Brüggener Str. 5 erfolgreich geführt wurde. So druckte Jakob z. B. jährlich die Gymnicher-Ritt-Fähnchen und entsprechende Broschüren im Auftrag des Gymnicher Pfarrers Joseph Weißenfeld.

1928/1929 verkaufte Jakob im Alter von etwa 53 Jahren das Haus auf der Brüggener Str. 5 und zog in die Schützenstr. 14, wo er als Hausmeister der Gymnicher Synagoge arbeitete. Als Gegenleistung durfte er unentgeltlich wohnen.
Ob Jakob Zieger dort noch weiter als Buchdrucker arbeitete, konnte nicht zweifelsfrei bestätigt werden.

Die Deportation von Jakob und Emma Zieger fand am 15. Juni 1942 statt und man brachte sie nach Theresienstadt und Treblinka.

Am 19. September 1942 wurden Jakob und Emma Zieger ermordet.

Familie Kaufmann

Hermann Kaufmann war der Bruder von Emma Zieger, von der die vorherige Biografie erzählte.

Hermann heiratete am 24. November 1941 Paula Voos aus Kerpen, obwohl zu dieser Zeit die Repressionen der Nazis auf die jüdische Bevölkerung bereits unerträglich gewesen sein müssen.
Paula Voos war vor ihrer Heirat mit dem Nachnamen „Glick“ gemeldet. Ob sie geschieden oder verwitwet war, ist uns nicht bekannt.

Am 18. Juli 1942 – zu diesem Zeitpunkt waren sie gerade einmal 8 Monate lang verheiratet - wurden Paula und Hermann aus Gymnich zunächst nach Polen und später nach Minsk/Weißrussland deportiert und ermordet, vermutlich im Vernichtungslager Maly Trostinec.

 

Stolpersteine für die Familien Zieger und Kaufmann

 

Schützenstr. 2

Hier wohnten Abraham und Sophia Stock mit ihren 10 Kindern (geboren 1864 bis 1884):

  • Sara
  • Moses
  • Salomon
  • Lazarus
  • Johanna
  • Eduard
  • Albert
  • Benjamin
  • Karolina
  • Amalia

Die Eltern verstarben in den Jahren 1908 und 1910.
Tochter Johanna, verheiratete Heidt, verstarb bereits 1920 im Alter von 49 Jahren. Ihr Bruder Eduard verstarb 1931 im Alter von 57 Jahren.

Benjamin, der 1911 nach Köln gezogen war, konnte mit seiner Familie rechtzeitig dem Nazi-Regime entkommen und nach Südafrika auswandern, wo er 1943 verstarb.

Sara (genannt „Sabina“), Moses, Lazarus (genannt „Louis“), Albert und Karolina wurden allesamt nach Theresienstadt deportiert und ermordet.

Amalia heiratete im Jahr 1912 in Gymnich Eduard Levy, der 1937 wegen sog. „Rassenschande“ zweieinhalb Jahre lang in Düsseldorf inhaftiert wurde. Nach seiner Entlassung soll Amalia vor ihm zu ihrem Elternhaus geflohen sein, wo sie bis zu ihrer Deportation 1942 nach Lublin/Polen wohnte.

Am 28.02.1956 wurde Amalia, vermutlich im Zuge der Aufarbeitung der Greueltaten, durch das Amtsgericht Lechenich für tot erklärt.

Besonders zu erwähnen ist an dieser Stelle Albert Stock. Er zog bereits 1911 nach Bonn, wo er erfolgreich einen Getreidegroßhandel betrieb. Diesen musste er jedoch durch das von den Nazis angeordnete Einkaufverbot bei Juden im Jahr 1938 aufgeben. Dabei hatte er im 1. Weltkrieg als Feldwebel für das deutsche Volk gekämpft. Pflichtbewusst entschloss er sich dazu, sich um seine Geschwister zu kümmern, anstatt auszuwandern, und zog im Jahr 1939 zurück in sein Elternhaus nach Gymnich. Von hier aus wurde er zusammen mit seinen Geschwistern im Jahr 1942 nach Theresienstadt deportiert und 1944 im Alter von 67 Jahren in Auschwitz ermordet.

 

Stolpersteine für Familie Stock

 

Neustr. 8

Vater Siegfried, geboren am 17. April 1881 in Kleinmaischeid, Landkreis Neuwied, die Ehefrau Mathilde, geborene Grünebaum, geboren am 22. Juni 1876 in Kleinmaischeid und die beiden Kinder Meta und Walter.

Familie Daniel zog etwa 1913 nach Gymnich und bewohnte ein eigenes Haus in der Neustr. 6, heute Nr. 8, wo Siegfried eine Metzgerei betrieb. Mathilde war Hausfrau. Sie hatten 2 Kinder:

  • Tochter Martha, genannt Meta, geboren am 10. Juli 1911 in Kleinmaischeid, zum Zeitpunkt des Umzugs nach Gymnich gerade 2 Jahre alt
  • Sohn Walter, geboren am 23. März 1913 in Kleinmaischeid, zum Zeitpunkt des Umzugs also noch ein Säugling.

Nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. Nov. 1938 und der damit verbundenen Verbote und Repressionen wurde Familie Daniel durch den plötzlichen Wegfall des Einkommens die Lebensgrundlage entzogen. Siegfried verkaufte notgedrungen sein Haus, und die Familie, außer der Tochter Meta, wurde im Mai 1939 in Köln zwangsweise in ein Ghettohaus in der Brüsseler Str. 7 einquartiert. Sein Vermögen wurde durch die NSDAP eingezogen.

Von Köln aus wurden Siegfried, Mathilde und Sohn Walter am 30.10.1941 nach Litzmannstadt bei Lodz (Polen) deportiert, wo Siegfried und Mathilde von den Nazis ermordet wurden. In Lodz wohnten sie zunächst in der Kelmstr. 2, anschließend in der Gänsenstr. 3a. In der Belegungsliste dieses Ghettohauses ist Mathilde bereits durchgestrichen und mit dem Todesdatum 03.08.1944 versehen. Bei ihrem Mann Siegfried sind keinerlei Änderungen eingetragen, weshalb sein Todesdatum unbekannt ist. In Verbindung mit der später von Meta aufgegebenen Todesanzeige deutet dies darauf hin, dass Siegfried im KZ Auschwitz ermordet wurde. Sohn Walter war im KZ Mittelbau-Dora in der unterirdischen Rüstungsproduktion eingesetzt. Angeblich hat er zwar die Befreiung des Lagers durch die Rote Armee noch erlebt, ist aber dann kurz darauf am 11.02.1945 an Unterernährung verstorben.

Tochter Meta heiratete 1935 im Alter von 24 Jahren, zog dann zuerst nach Köln und wanderte 1936 nach Caracas/Venezuela aus, wo sie mit Ehemann Moritz Heymann lebte. Sie verstarb nach 1984. Sohn Jorge soll in den USA leben. Meta gab 1946 eine Todesanzeige in einer Zeitung auf, nachdem sie erst zu diesem Zeitpunkt erfahren hatte, dass ihre Eltern in Litzmannstadt und Auschwitz ums Leben gekommen waren.

Das Schicksal ihres Bruders Walter, der wie bereits erwähnt kurz nach der Befreiung an Unterernährung verstarb, war ihr nicht bekannt.

 

Stolpersteine für Familie Daniel

 

Am Büschel 8a

Hier wohnte Familie Voos. Zur Familie gehörten:

  • Vater Jakob Sally Elias Voos, geboren am 12. Januar 1899 in Frechen
  • Mutter Helene, geborene Levy
  • Helenes Tochter Ruth (Jahrgang 1923)
  • der gemeinsame Sohn Alfred (Jahrgang 1927).

Helene verstarb am 1. Juni 1929 im Alter von nur 31 Jahren. Es ist zu vermuten, dass beide Kinder den Holocaust überlebt haben. Ruth soll nach Kanada ausgewandert sein, über Alfred ist nichts weiter bekannt. Er taucht auch auf keiner Todesliste auf.

Am 17. Februar 1936 heiratete Jakob erneut, nämlich Berta Voos geb. Winter, geboren am 2. Juli 1894 in Glesch. Aus dieser Ehe gingen 3 weitere Kinder hervor:

  • Erich (geboren am 22.06.1936)
  • Ruth Regina (geboren am 06.12.1937)
  • Albert, genannt Berl, (geboren am 28.01.1939).

Jakob Voos war ein armer jüdischer Händler. Er soll ein kleiner Mann mit rundem Bauch gewesen sein, allgemein nicht sonderlich beliebt. Er hatte ein winziges Häuschen "Am Vogelsang 8", wie diese Adresse damals hieß, und betrieb eine Ziegenmetzgerei.

Jakob war vom 7.12.1938 bis zum 6.4.1939 im KZ Dachau inhaftiert. Nachdem der Bevölkerung durch die Nationalsozialisten in der Zeit um 1939/40 verboten wurde, bei Juden einzukaufen und Geschäfte mit ihnen zu machen, wurde ihm durch das wegfallende Einkommen die Existenzgrundlage entzogen und so zog er mit Frau und drei kleinen Kindern ins Erdgeschoß des Synagogenhauses in der Schützenstr. 14. Da die Kinder Ruth (16 Jahre) und Alfred (12 Jahre) aus erster Ehe hier schon nicht mehr erwähnt werden, liegt die Vermutung nahe, dass sie von Helene Levy’s Verwandten nach Jakobs zweiter Heirat in Obhut genommen wurden. Dies könnte ihnen das Entkommen vor den Greueltaten der Nazis ermöglicht haben.

Familie Voos wurde am 20.7.1942 von Gymnich nach Minsk deportiert. Die Ankunft am Güterbahnhof in Minsk am 24.07.1942 ist dokumentiert. Anschließend wurden sie weiter zur Vernichtungsstätte Maly Trostinec gebracht, wo sie ermordet wurden.

Berta wurde vermutlich vor ihrer Ermordung noch dazu gezwungen, in einem Arbeitslager zur Produktion von Maschinen und Wagons zu arbeiten.

 

Stolpersteine für Familie Voos

 

Dirmerzheimer Str. 11

Hier wohnten Hermann und Regina Schwartz mit ihren 5 Kindern Albert, Brunhilde, Erich, Johanna und Walter.

Hermann, mit hebräischem Name „Naftali“, geboren am 3. November 1881 in Kall-Heistert, wuchs zunächst gegenüber (Hausnr. 10) im Hause seines Onkels Moses Krämer auf, da seine Mutter Johanna Schwartz, geborene Krämer, im Wochenbett verstarb. Er wurde von Helene und Karolina Krämer, den ledigen Schwestern von Moses und Johanna, großgezogen und arbeitete in der Häutehandlung des Onkels mit.

Etwa im Jahr 1916, als Moses aus dem Berufsleben ausschied und in Rente ging, übernahm Hermann den Betrieb seines Onkels.

Am 27. August 1911 heiratete Hermann Regina Berger, geboren am 8. September 1883 in Niederzissen, hebräischer Name „Rifka“. Aus der Ehe gingen 5 Kinder hervor:

  • Albert, geboren 1912
  • Brunhilde, geboren 1914
  • Erich, geboren 1915
  • Johanna, geboren 1916
  • Walter, geboren 1918

Hermann erwarb dieses Haus (Nr. 11), damals noch Hausnr. 7, wo seine Familie wohnte und in dem Regina in der 1. Etage ein Schuhgeschäft betrieb.

In der Pogromnacht wurden die drei Söhne Albert, Erich und Walter nach Dachau verschleppt. Als ihre Tante Karolina mit 79 Jahren verstarb, kehrten die Brüder Anfang Dezember 1938 mit kahl geschorenen Köpfen zurück. Sie waren gezwungen, den Sarg der Tante durch das gesamte Dorf bis hin zum Friedhof selbst zu tragen und das Grab selbst auszuheben, da den Juden jegliche Hilfe und Unterstützung dazu verweigert wurde. Kein Grabstein erinnert an sie. Was mögen die Anwohner und Passanten bei diesem Anblick empfunden haben?

Die fünf Kinder konnten allesamt nach Israel, England und in die USA auswandern und so dem Holocaust entkommen. Als letzte der fünf Geschwister verstarb Johanna im Jahr 2011 in San Diego, Kalifornien.

Hermann und Regina wurden am 18.7.1942 über Köln nach Polen deportiert und dort ermordet. Genauere Daten über den Ankunftsort sowie zu ihrem Tod sind leider nicht dokumentiert.

 

Stolpersteine für Familie Schwartz

 

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